Bin ich arm oder bin ich reich? Wirklich arm bin ich nicht, reich auch nicht. Trotzdem von beidem ein bisschen. Ich habe keine Million auf dem Konto. Aber Hunger leiden musste ich auch nie.
Was ist eigentlich Arm und was Reich? Ab wann gehört man zu den Reichen und ab wann zu den Armen?
Ich würde nicht sagen, dass ich zu den Armen gehöre. Arm sind die Menschen, die auf den Straßen leben, unter Brücken schlafen und ihre Nahrung aus Mülleimern zusammen suchen. Oder Menschen in Afrika, die mit Hunger, Durst und Krankheiten wie Ebola zu kämpfen haben. Aber unter den Armen gibt es auch nochmal die, die noch ärmer dran sind als die anderen. So kann man das immer weiter fortführen. Es gibt immer jemanden, der noch ärmer ist.
Genauso ist es bei den Reichen. Wir sind reich, ihr, die ihr das jetzt lest und ich, die Verfasserin des Textes. Denn wir haben eins gemeinsam, wir besitzen einen Luxusartikel, sei es ein Computer, Laptop, Tablet oder Smartphone, welches uns diesen Text gerade anzeigt. Vermutlich haben wir noch mehr Gemeinsamkeiten. Lasst es mich wissen, wenn dem nicht so ist. Ich denke wir haben alle ein Dach überm Kopf, wir besitzen alle ein Bett zum schlafen und wir wissen nicht, was es bedeutet, Hunger zu leiden. Wir sind reich, reich an Geld, manche mehr, manche weniger. Sicherlich hat nicht jeder von uns ne Million auf dem Konto, ich auch nicht, nicht mal Ansatzweise. Aber es reicht zum leben, ohne auf etwas wichtiges verzichten zu müssen.
Ich kann mir vielleicht keine Handtasche von Gucci oder Prada leisten, aber in eine von H&M passen auch all meine Sachen rein. Als Kind hab ich mir immer ein Gameboy und später dann Nintendo DS und Playstation gewünscht. Einfach aus dem Grund, weil es alle hatten und man immer die Außenseiterin war, die dann nicht mitreden konnte, wenn es darum ging, das neuste Spiel auszuwerten. So war das mit vielen Sachen. Mein erstes Handy hatte ich erst mit 14 Jahren, auch dafür wurde ich in der Schule oft schief angeschaut. Manchmal waren es mitleidige, manchmal spöttische oder auch verständnislose Blicke. Viele konnten es einfach nicht nachvollziehen, dass ich bzw. meine Eltern mir das ein oder andere nicht kaufen konnten. Weil sie selbst in einer reichen Familie aufgewachsen sind und das einfach nicht kennen, dass man auf Sachen verzichten muss.
Heute bin ich froh darüber, dass ich nicht alles in den A... geschoben bekommen habe. Dadurch hab ich gelernt, dass man dafür arbeiten muss, wenn man im Luxus leben möchte. Aber ich habe auch gelernt, dass finanzieller Reichtum nicht glücklich macht. Es gab Zeiten, da lief es gut in der Firma meiner Eltern, da war ich noch klein. Wir hatten mehr Geld, als zum leben notwendig war und meine Eltern fuhren teure Autos. Sie hatten aber auch weniger Zeit für ihre Familie und Ehe. Der Job stand an erster Stelle. Ich kann mich noch sehr gut an Enttäuschungen meinerseits erinnern. Sie hatten oft keine Zeit für Sachen, die für mich als vielleicht sieben-jährige wichtig waren, sei es ein Fest in der Schule, wo ich mitgewirkt habe.
Ich möchte nicht sagen, dass ich schlechte Eltern habe, überhaupt nicht. Es soll nur deutlich werden, dass all der Reichtum nicht glücklich macht. Stellt euch mal vor, ihr liegt in vielen, vielen Jahren mal auf eurem Sterbebett. Werdet ihr euch wünschen, dass ihr etwas mehr Zeit für eure Arbeit geopfert und ein paar Euro mehr mit nach Hause gebracht hättet? Das glaub ich nicht! Viel mehr werdet ihr euch wünschen, ihr hättet ein paar Stunden mehr mit euren Lieben verbracht und dafür vielleicht auf das teure Auto verzichtet.
Ich bin reich. Ich habe keine Million auf der Bank. Ich habe Zeit. Zeit für Familie, Freunde und Zeit für mich.
LG Lydia°